VRA_KTAUSG_Ichiharu.html

2014 wurde ich mit 11 anderen internationalen Künstlern, zu dem Ausstellungsprojekt “Ankunft“ in Berlin Marienfelde, eingeladen. Die Ausstellung fand, im damals größten

deutschen Übergangswohnheim für Flüchtlinge, statt. Es wurde bereits 1953 als Notaufnahme für Flüchtlinge aus der DDR erbaut. 1,3 Millionen Menschen waren in dieser Zeit vorübergehend dort untergebracht. Das Übergangswohnheim hat von der Größe, die Ausmaße eines kleinen Stadtbezirkes, der allerdings nach außen, durch Mauern abgeschirmt ist und nur nach Anmeldung betreten werden kann.


Beim Besichtigen der Ausstellungsäume, ergab sich spontan ein vielseitiger und lebendiger Kontakt zu den Bewohnern, vor allem den Bewohnerinnen. Wir trafen uns auf der Straße und im

Treppenhaus, wo die Frauen mit den großen, blauen und überfüllten Ikeataschen zu den Gemeinschaftswaschräumen mit den Waschmaschinen unterwegs waren. Alte, junge, schöne Frauen, sie alle waren mit einer Wolke von Kindern umgeben. Nach dem Besuch, in Gedanken noch im Wohnheim, schaute mich ein riesiges, geheimnisvolles Gesicht von einer Plakatwand an. Stark geschminkt, wirkte es leicht erschöpft und genervt. Vielleicht war das verhaltene Lächeln beabsichtigt, damit es der eigenen Interpretation überlassen bleibt, den Gefühlszustand dieses Frauengesichtes zu entschlüsseln.


Im Untertitel beschrieben die Plakate, das Portrait, als die „schönste Frau Berlins“. Waren das nicht ähnliche Gesichter im Wohnheim? Die Berliner Museen bewarben aber auf den Werbeflächen nicht die Frauen aus dem Wohnheim, sondern das Portrait von Nofretete aus Ägypten, 14 Jahrhundert v. Chr. Ein Kunstwerk, welches deutschlandweit, die meisten Besucher anlockt.


Nofretete hatte 6 Töchter, ergaben meine Recherchen. Hätten sie, zu einer anderen Zeit geboren, auch in Marienfelde stranden können? Die schönste Frau Berlins, ein Flüchtling? Weitere Fragen tauchten auf. Wieso können wir ein Kulturgut einer anderen Nation, von höchster Qualität, für uns beanspruchen und vereinnahmen? Warum begegnen wir heute, nicht mit der gleichen Leidenschaft und dem gleichen Interesse den Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen?


Diese Fragestellungen waren der Ausgangspunkt der Idee, für die Skulptur Asyl. Ein Vexierbild zwischen einer jungen Mutter aus Ägypten, die in Deutschland lebt und dem, auf dubiose Weise in deutschen Besitz gelangten Portrait von Nofretete. Bei Planung und Umsetzung der Skulptur „Asyl“ orientierte ich mich an der klassischen Handschrift ägyptischer Kunst. Kontrapost, hautenge Kleidung, Flipflops. Merkmale einer 3000 Jahre alten Kultur eines anderen Kontinents, aber auch Insignien aktueller westlicher Mode.


So fern und doch so nah.

Birgid Helmy | »ASYL« | Polyester | 2014 | www.helmy.eu

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